Die Kinder gehorchen dir nicht. Der Ehepartner respektiert dich nicht genügend. Die Chefin oder der Chef überschüttet dich mit unangenehmen Aufgaben, und die Kolleg*innen lassen dich die ganze Arbeit machen. Die Menschen übersehen dich und deine Bedürfnisse.
Fällt es dir auch so schwer, Grenzen zu setzen?
Also für mich ist es richtig schwer.
Ich glaube, ich wurde so erzogen, dass ich Ja sage, gehorche, mache, was nötig ist. Aber ehrlich: Ich kann meine Eltern nicht beschuldigen, denn ich glaube, ich wurde schon so geboren.
Ein kleines Mädchen mit großen Augen, das lieber den Blick senkt, wenn man es schief anschaut. Früher hat man dazu gesagt: kleines Selbstbewusstsein. Heute sagt man oft: zu wenig Selbstliebe.
Vor fünf Jahren habe ich eine tolle Erfahrung gemacht.
Ich musste eine Kollegin um Hilfe bitten – und ehrlich gesagt, hätte ich sie mir selbst nie ausgesucht.
Sie ist Mama von drei Kindern, sieht aus wie ein Model, ist immer perfekt organisiert – und dabei alles andere als „superlieb“, wie ich es bin.
Sie ist freundlich, ja, aber auch ziemlich taff.
Ich dagegen sage immer „ja“, wenn man mich um etwas bittet, und umgebe mich lieber mit ähnlich „netten“ Menschen.
Also war ich zunächst nicht gerade begeistert, mit ihr zusammenzuarbeiten. Aber ich dachte: Ok, vielleicht ist das ein Wink des Schicksals. Vielleicht kann ich etwas von ihr lernen.
Und tatsächlich: Ich habe gelernt, dass man das Leben viel einfacher machen kann, wenn man freundlich bleibt – aber auch lernt, Nein zu sagen, die Mails sehr kurz beantwortet, an sich denkt, wenn Aufgaben verteilt werden, das Nötige, aber nicht zu viel macht.
Und heute? Heute mag ich sie richtig gern. (Ich bin gespannt, ob sie sich hier erkannt hat 😉
Denn besser, als immer nett zu sein, ist es, ehrlich und glücklich zu sein.
Wie auch immer – Grenzen zu setzen und Nein zu sagen, macht verdammt glücklich.
Denn man steht zu seinen eigenen Bedürfnissen.
Oft verteidigt man dadurch sein wahres Ich.
Es fühlt sich gut und stark an, zu sich selbst zu stehen.
Umgekehrt: Wenn wir Ja sagen, obwohl wir es nicht wirklich wollen, werden wir mit der Zeit unglücklich. Und unser Unglücklichsein ist auch für unsere Umgebung nicht gerade angenehm.
Eine tolle und starke Art, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen, ist es, dies mit Liebe zu tun.
Klingt das klischeehaft? Vielleicht.
Aber oft passiert es, dass wir erst Nein sagen, wenn uns buchstäblich der Kragen platzt.
Wenn wir nicht mehr können.
Wenn unsere Grenzen so oft überschritten wurden, dass das Nein fast aus uns heraus explodiert.
Emotionale Ausbrüche und Wut wirken auf andere oft lächerlich.
Denn jeder weiß: Starke Gefühlsregungen vergehen schnell.
Man wird nicht ernst genommen.
Ach ja, sie hat sich eben nicht unter Kontrolle, denkt man.
Wenn man aber mit der richtigen inneren Einstellung Nein sagt, sagt man es mit einer solchen inneren Stärke und Stabilität, dass es Gehör findet.
Es wird von der Umgebung gespürt.
Es ist ein starkes Nein.
Und wie ist es mit der Liebe?
Am Anfang des Neins steht natürlich unsere innere Haltung:
Wir wollen zu etwas Nein sagen, wir grenzen uns ab.
Es ist wichtig, sich selbst gegenüber genug Liebe zu verspüren, um Nein zu sagen – wenn die Kinder respektlos sind, die Kolleg*innen, wer auch immer.
Genauso wichtig ist aber die Liebe zu der betroffenen Person.
Warum sollte ich positive Gefühle für jemanden entwickeln, der mich gerade verletzt oder übergeht?
Nicht unbedingt wegen dieser Person – sondern weil eine positive innere Haltung uns eine stärkere Ausstrahlung verleiht.
Wir lehnen nicht den Menschen ab, sondern nur ein bestimmtes Verhalten.
Das lässt uns für die anderen freundlich und klar wirken.
Sie spüren: Sie ist nicht böse zu mir. Sie bleibt freundlich – aber sie möchte etwas nicht.
Diese Einstellung lässt uns eher durchkommen – und selbst wenn nicht:
Es ist wichtig, Nein zu sagen, ohne ein bestimmtes Ergebnis zu erwarten.
Selbst wenn das Nein nicht akzeptiert wird – es wurde ausgesprochen.
Und allein das zählt.
Die innere Stärke lässt sich wunderbar durch Liebe aktivieren – indem wir die Liebe zu uns selbst, zu den anderen und zur Welt stärken.
Wie geht das?
Manchmal ist man schon zu verletzt, um noch etwas Positives in sich hervorzuholen.
Die hawaiianische Methode Ho’oponopono ist super unkompliziert, und ich finde, sie wirkt Wunder.
Irgendwann schreibe ich sicher ausführlicher darüber – auch darüber, wie man sie wissenschaftlich erklären kann, für alle, die logische Argumente brauchen.
Heute nur so viel: Recherchieren kann jeder.😉
Einfach bei YouTube ein passendes Video finden, Kopfhörer aufsetzen (das verstärkt die Wirkung!) und sich am Abend berieseln lassen.
Durch die Worte:
„Es tut mir leid.“
„Bitte verzeih mir.“
„Ich danke dir.“
„Ich liebe dich.“
An wen man dabei denkt – ob an sich selbst oder an andere – ist völlig egal.
Manchmal muss man gar nicht so viel denken.
Es ist einfach schön, sich von Gefühlen der Liebe und Dankbarkeit in den Schlaf wiegen zu lassen.
Der dänische Familientherapeut und Autor Jesper Juul spricht darüber, dass man andere ermutigen soll, Nein zu sagen – und natürlich auch sich selbst.
Es entspricht nicht dem, wozu wir meist erzogen wurden.
Aber:
Wer Nein sagen kann, kann später auch viel leichter von Herzen Ja sagen – und ist definitiv glücklicher.
Wir meiden gerne Menschen, die anders sind als wir.
Aber wenn uns das Schicksal solche Menschen in den Weg schickt, ist es das Beste, das Beste daraus zu machen ;).
Vielleicht versteckt sich hinter der Unfähigkeit, Nein zu sagen, die Angst, nicht gemocht zu werden.
Aber wie man an meiner Kollegin sieht, stimmt das nicht: Ich mag sie umso mehr, gerade weil sie ehrlich ist.
Ich hoffe, dass ich die Mitte halten kann – freundlich bleiben und trotzdem Nein sagen.
Auf jeden Fall kann ich es heute schon viel besser als früher.
Und du?
Wie hast du dich in den letzten Jahren entwickelt?